Vortrag: Legal Tech- Eine Herausforderung für Anwaltschaft und Universitäten?

Vortrag: Legal Tech- Eine Herausforderung für Anwaltschaft und Universitäten?

16. November 2017 Legal Tech 0

Zum Thema „Legal Tech- Eine Herausforderung für Anwaltschaft und Universitäten?“ sprach vergangenen Dienstag, den 14.11.2017, Professor Dr. Christian Wolf im Leibnizhaus in Hannover.

Der Vortrag vor der Juristischen Studiengesellschaft Hannover war zugleich auch Auftaktveranstaltung des Legal Tech Inkubators der Leibniz Universität Hannover.

Mit dem Verweis auf Leibniz Bemühungen, der an der Schaffung einer Universalsprache (characteristica universalis) tüftelte, bei der ein System von Zeichen alle Objekte und ihre Beziehungen zueinander abbilden sollte, schuf Professor Dr. Wolf zugleich eine Verbindung zum Veranstaltungsort und startete mit einem etwas anderen Blick auf Legal Tech.

Angetrieben durch den technischen Fortschritt gibt es im Bereich von Legal Technology erneut Versuche einer Jurisprudentia Rationalis (Leibniz), also Bemühungen um ein rein rationales, in Programmcode abbildbaren Rechts (Code is law).

So konnte 2016 etwa ein Team aus Juristen und Computerwissenschaftlern durch einen Algorithmus Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit 79 Prozent Wahrscheinlichkeit korrekt vorhersagen. Mit der Analyse und Wahrscheinlichkeit des Rechts beschäftigen sich aber auch Legal Tech Startups, wie Juristat, Ravel Law oder CaseCrunch.

Professor Dr. Wolf warnte in diesem Zusammenhang vor einer zunehmenden Gleichschaltung des Rechts durch Algorithmen. Aufgabe der Rechtswissenschaft sei es gerade, Gründe gegeneinander abzuwägen, weshalb die vorgefertigten Ergebnisse der Algorithmen unbedingt nachvollzogen werden müssten; „wir müssen wissen, was sei tun!“. Mehr denn je wird gelten: „Wo der Palandt [der Algorithmus] aufhört zu denken, muss der Rechtsanwalt anfangen.“ Dies den Studierenden mit auf den Weg zu geben, sei eine der Herausforderung für Universitäten.

Wo die Rechtsanwendung ohne Juristen mit Unterstützung durch einen Algorithmus auskommt und allein bzw. weitestgehend allein durch (Legal Tech) Software erledigt wird, sieht er weitere Herausforderungen.

Mit der Zunahme von Online-Streitschlichtungsstellen oder Möglichkeiten rund um Smart Contracts gehe nicht nur eine Entstaatlichung einher, sondern auch eine Simplifizierung des Rechts. Gerade im Bereich der Smart Contracts sieht Professor Dr. Wolf Gefahren eines einfachen Faustrechts.

Im Konfliktfeld einzelner Legal Tech Anbieter mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz sprach er sich dagegen für eine klare Öffnung des Gesetzes aus. Legal Tech Unternehmen würden schon heute in vergleichbarer Form zu Inkassodienstleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG) agieren. Dies in „umgedrehter“ Form, da nun ein einzelner Schuldner einer Vielzahl von Gläubigern gegenübersteht. Unter dem Gesichtspunkt des digitalen Prinzips „the winner takes it all“ plädiert Professor Wolf mittel- bis langfristig jedoch für eine bessere Aufsicht des/der dann marktbestimmenden Monopolisten.

In der anschließenden Diskussion berichtete etwa auch Dr. Thomas Remmers – der bereits den LEGAL ®EVOLUTION Expo & Congress 2017 eröffnet hatte – in seiner Position als Präsident der RAK Celle und Vizepräsident der BRAK über Legal Tech.

Die aktuellen Legal Tech Angebote bewertet er als Chance vieler Bürger für einen kostenlosen und einfachen Zugang zum Recht.

Neben seiner Bewunderung für die enorme Fertigungstiefe und ausgefeilte Datenverarbeitung dieser Unternehmen, sprach sich Dr. Remmers gegen die Einführung einer starren Online-Eingabemaske für Gerichtsverfahren aus. Für den Fortschritt der Digitalisierung der Justiz sei es jedoch notwendig, dass sich neben der Einführung des beA für die Anwaltschaft zukünftig auch die Gerichte auf eine elektronische Datenverarbeitung umstellen.

Die Frage, wie lange wir uns – bei der durch Algorithmen getriebenen Simplifizierung – noch ein ausgefeiltes Recht leisten können, warf Prof. Dr. Veith Mehde, erster Vorsitzender der Juristischen Studiengesellschaft Hannover in den Raum. Hier habe angloamerikanisches Case Law einen klaren Wettbewerbsvorteil, wenn es um die Programmierung von „Wenn-Dann-Beziehungen“ geht.

News vom Legal Tech Inkubator Hannover